Danke erst mal für eure beiden Antworten und euer Interesse an Faustina Bordoni-Hasse.
Sie interessiert mich
ERSTENS , weil sie die erste wirkliche und emanzipierte Operndiva war und eine begnadete Künstlerin und Sängerin.
Sie war so unabhängig, dass sie deswegen schon in Venedig ins Gefängnis kam, weil sie sich einer lesbischen adeligen Gönnerin selbstbewusst entzog, dann machte sie unabhängig Karrieer auf eigene Faust in Italien, wurde schwanger von einem unbekannten hohen Fürstensohn und heiratete schwanger und heimlich in Venedig den Komponisten Johann Adolph Hasse. Mit dem verband sie eine wirkliche Liebes- und Geschäftsbeziehung. Beides zusammen war im 18. Jahhundert sehr ungewöhnlich. Sie war später sogar Operndirektorin in Venedig.
Aufgrund ihrer Fähigkeiten und ihrer (intimen?) nahen Beziehungen zum sächsischen Kronprinz wurde sie nach Dresden geholt und mit ihrem Mann zusammen eingekauft wie heute Fussballprofis von Mailand nach London oder München wechseln. Dort blieb sie drei Jahrzehnte und zog mehrere Kinder groß. 1753 verabschiedete sie sich über 50igjährig von der Bühne und sang nur noch in kleinen hocharistokratischen Zirkeln wie am Wiener Kaiserhof oder in Venedig.
In Venedig spazierte sie schon als junge Sängerin selbstbewusst mit den anerkanntesten Kurtisanen Arm in Arm auf dem Markusplatz.
Wilde Schmähpamphlete erschienen von Neidern, Heuchlern, Schmutzfinken in Italien oder London.
Aber das befleckte ihren wachsend sensationellen Ruf nicht: Könige wie die von Frankreich, Habsburg, Polen/Sachsen oder Fürsten in München und Italien wollten sie hören. Sie war befreundet mit den Kindern der Kaiserin Maria-Theresia, denen ihr Mann Musikuntericht gab.
Der einmalige offene Streit mit der befreundeten (!) Kollegin Cuzzoni auf der Bühne in London wurde provoziert von den beiden Anhängergruppen und entsprechend in den Medien hochgepuscht so wie heute etwa die Begegnung von zwei Rocklegenden oder Fussballstars, die in Konkurrenz stünden.
ZWEITENS hat sie Künstler wie Händel oder Hasse zu wunderschönen Werken inspiriert.
Die schönste Komposition dazu ist die Oper "Alessandro" von Händel, mit der Faustina ihren ersten Auftritt in London hatte. Ihre Auftrittsarie ist göttlich! (Bei den Maifestspielen in Wiesbaden dieses Jahr zu erleben!). Händel komponierte für die beiden Primadonnen gleich viele Arien und sogar ein Duett der Versöhnung am Ende. Für Faustina hat er fünf Opern in London komponiert. Dann bekam ihr und ihrer Stimme (!) vor allem das dauernd nasskalte Klima nicht mehr und sie ging nach Italien zurück.
Händel wollte sie persönlich auf eienr Italienreise 1730 nach London zurück holen. Doch der Grund, warum sie der auch finanziell sehr lukrativen Einladung nicht folgte ist unbekannt. Ebenso wie Farinelli blieb sie lieber in ihrer Heimat Italien.
Einen sehr lebendigen - auch bildlichen Eindruck - gibt das Buch von
Saskia Maria Woyke: Faustina Bordoni. Biographie - Vokalprofil - Rezeption. Lang, Frankfurt am Main u. a. 2010, ISBN 978-3-631-57950-3.
Dort auch viele wertvolle Hinweise auf ihr Stimmprofil und ihre Artistik.
Musikalisch gibt es einen guten Eindruck durch ihr Arien-Portrait gesungen von Vivica Genaux, erschienen 2012 auf CD.
